Kreuzfahrtschiff der italienischen Reederei MSC Kreuzfahrten schrumpfte auf Spielzeugdimension. Eine halbe Stunde zuvor hatte der Cruise Director, per Bordlautsprecher mitgeteilt, nun erwarte uns der Höhepunkt dieser Norwegen Kreuzfahrt, die Einfahrt in den Geiranger-Fjord. Zur musikalischen Untermalung wurde Edward Grieg gespielt.
Diese Ankündigung kam einem Alle-Mann-an-Bord-Kommando gleich, die meisten der rund 2.200 Passagiere, die in den 11 verschiedenen Kabinenklassen Platz finden, säumten nun die Reling. „Ist das nicht phantastisch?", fragt ein Gast seinen Nebenmann, der eifrig filmte. „Ich sage Ihnen", erläuterte der mit voller Begeisterung, „das hier ist gewiss eine der schönsten Kreuzfahrtrouten der Welt. Ich bin schon durch die Karibik gekreuzt, durch die Ostsee und durchs Mittelmeer. Aber eine Norwegen Kreuzfahrt ist einmalig." Doch auch die anderen Passagiere auf dem Kreuzfahrtschiff zeigten sich beeindruckt von der Schönheit Norwegens: „Ich war schon mit dem Auto hier", sagte ein Franzose, „aber per Schiff ist das noch faszinierender." Die Passagiere der MSC Lirica, die zwei Tage zu vor in Hamburg gestartet war, kommen überwiegend aus Deutschland, Frankreich und Italien.
Infolge solcher Wertschätzung erfreut sich das in seiner Art einmalige Kreuzfahrtrevier in der kurzen Sommersaison eines regen Verkehrs auf seinen schmalen Wasserwegen. Allein in Geiranger werden im Jahr, das heißt, in der kurzen Saison von Mitte Mai bis Ende September, mehr als 200 Kreuzfahrerankünfte verzeichnet. In den ersten Juliwochen liegen bisweilen an einem Tag gleich mehrere große Passagierschiffe in dem engen Gewässer vor Anker. Damit kommen binnen Stunden mehr als mehrere Tausend Passagiere in das nicht allzu große Tal - nichts für Freunde nordischer Einsamkeit, insbesondere, wenn man bedenkt, dass dieses kleine Tal nicht zu Unrecht auch ein Lieblingsziel der Autotouristen ist.
Im Geiranger-Fjord waren wir an diesem Tag fast allein, nur den Albatros von Phoenix Reisen kam uns auf dem Rückweg entgegen. Aber einen Tag später, in Olden am Nordfjord, teilten wir uns den Platz mit den Passagieren eines anderen Kreuzfahrtschiffes. Oberhalb des Fjords zieht ein hochhaushoher, stets knisternder und tropfender Ausläufer des mächtigen Briksdal Gletschers (Briksdalbre) die Besucher an. Nach einer halbstündigen Busfahrt gelangt man zum Ausgangspunkt eines zum Gletscher führenden Fußpfads, den man allerdings auch im Pferdewagen bewältigen kann. Auf dem kleinen Weg wird der Aufstieg schnell zur Prozession, wenn die Kreuzfahrtschiffe ihre Fahrgäste anlanden und sich diese Hundertschaften unter die Mengen auf dem Weg nach oben mischen. Aber der Marsch lohnt sich dennoch.
In anderen Häfen fällt dieser Ansturm weniger auf, weil er sich mehr verteilt. Allerdings merkt man auch in Oslo, Trondheim oder Bergen, wenn ein Kreuzfahrtschiff eingelaufen ist. Dann wird es ein wenig eng am Oseberg-Schiff und im Vigeland-Skulpturenpark in der Hauptstadt oder in der Fantoft-Stabkirche und im Edward-Grieg-Haus in Bergen. Aber solches Gedränge ist in der Hauptsaison symptomatisch für jegliche Touristenattraktion, dies ist auch nicht der Grund für jene Passagiere, die selbst in den schönsten Häfen nicht von Bord gehen. Auch die stattlichen Kosten für Landausflüge halten die wohlsituierten Bordgäste in der Regel nicht vom Landgang ab. „Wir genießen das Leben an Bord, das macht für uns den Reiz dieser Ferien aus", erklärte mir eine Dame aus Stuttgart, als wir vor dem turnusmäßigen Galaabend ins Gespräch kamen. Wir waren in allen Häfen auf eigene Faust an. Das ging wunderbar. Nur in Flam haben wir eine Fahrt mit der bekannten Flamsbana gebucht.
Auch an Bord ist während einer Norwegen Kreuzfahrt einiges geboten. Das Programm für den Tag kann man täglich der kleinen Bordzeitung (Tagesprogramm) entnehmen. Es beginnt morgens um 6.30 Uhr mit dem Early Bird Breakfast und führt über Pool-Spiele an Deck, Bridgetreffen in der Bibliothek und Cocktailmusik in der Lounge bis zur großen Show im Theater. Es gibt ein fantastisches Fitnesscenter und ein herrliches Spa. Flankiert werden alle Tagesprogramme von pausen-, aber nicht folgenlosen Speisefolgen (ich wog zwei Kilo mehr bei der Ausschiffung), dem legendären Rückgrat aller Kreuzfahrten. In der Tat gibt es zwischen Frühstück und Mitternachtsbuffet kaum eine Möglichkeit, dem überreichen Angebot der Schiffsküche zu entgehen. Auch die Qualität des Gebotenen ist meist vorzüglich, wenngleich auf unserer Tour nicht alle Gerichte den - zugegebenermaßen hochgespannten - kulinarischen Erwartungen an die italienische Küche entsprachen. Dinner, wenn das Schiff am Hochgebirge vorbeigleitet, das gibt es nur in Norwegen.
Übertroffen wurden unsere Erwartungen hingegen vom Service und vom Komfort des erst wenige Jahre alten Kreuzfahrtschiffes, das 2004 in Dienst gestellt worden war. Und von der atemberaubenden Landschaft Norwegens. Die Sonne bleibt hier im Juli lange über dem Horizont. Die Aufbauten der MSC Lirica warfen einen vielgezackten Schatten auf die nahen Felswände. Ein schmuckes Schiff, ohne Zweifel.
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