Donnerstag, 04 April 2013 19:24
Seitensprung als Chance
Die Chancen, eine Beziehung nach einem Seitensprung zu retten, stehen sehr gut. Wenn die Partner Ursachenforschung betreiben, Bilanz ziehen und die Krise wirklich gemeinsam meistern, ist das eine ganz wichtige Vertrauensmaßnahme,
die beide füreinander bewirkt haben. Viele Paare lernen erst durch eine solche Krise, miteinander zu kommunizieren. Sie reden in dieser Zeit mehr miteinander, als je zuvor, und die Partnerschaft kann dadurch eine echte Stärkung erfahren: „Wir haben noch nie so viel miteinander geredet", berichtete beispielsweise eine Betroffene. Und „so viel" bedeutet meist auch „so offen und intensiv". Viele Paare würden ihr Zusammenleben nach der Verarbeitung des Seitensprunges als besser im Vergleich zu der Zeit davor bezeichnen. Im Endeffekt geht es um eine neue Gestaltung der Beziehung.
Kommt das Paar alleine nicht weiter, empfiehlt es sich, einen Paartherapeuten bzw. Paarberater in Anspruch zu nehmen, denn oftmals spielen heftige Gefühle auf beiden Seiten verbunden mit unbewussten Themen eine Rolle, die für die Partner allein zunächst nicht handhabbar und steuerbar erscheinen – jeder Partner bringt unterschiedliche Erfahrungen und Persönlichkeitsmerkmale mit. Insofern unterscheidet sich Paartherapie auch von Selbsthilfe und Gesprächen mit Freunden: Der Berater tritt als unabhängige, in Beziehungsfragen kompetente Person auf, deren Inanspruchnahme eine große Hilfe zur wechselseitigen Verständigung und Konfliktmoderation bedeuten kann und die in diesem Sinne auch als ein „Paarcoach" zu verstehen ist.
Wenn ein Paar nach einem Seitensprung in eine Paartherapie kommt, haben die beiden Partner bereits einen wesentlichen Schritt zur Klärung getan, indem sie sich überhaupt gemeinsam darauf verständigt haben, in eine Paartherapie zu gehen.
In der Therapie geht es dann darum, sich miteinander anzusehen, was in der gemeinsamen Vergangenheit diesen Seitensprung begünstigt hat und wie beide Partner gemeinsam daran gearbeitet haben, dass es überhaupt zu so einer kritischen Situation gekommen ist.
Hier kann bereits deutlich werden, welche Defizitthemen es in der Vergangenheit gegeben hat. Meistens zeigt sich, dass beide in den vergangenen Jahren immer weniger Zeit und Energie für Gespräche und Freizeitgestaltung miteinander eingesetzt haben, sich vielleicht auch im Erotischen, im Sexuellen weiter voneinander zurückgezogen haben. Oder es liegen Missverständnisse in der Vergangenheit vor, die nicht aufgeklärt werden konnten und sich immer mehr gebündelt haben. Wenn Konflikte nicht ausgetragen werden, summiert sich mit der Zeit ein Potenzial an ungelösten Themen, was zu immer weniger Lebendigkeit und Spaß miteinander führt.
Da kann dann auch die Methode hilfreich sein, dass jeder Partner eine Liste mit Punkten aufstellt, die er an dem anderen schätzt und die ihn am anderen stören. Dieses Vorgehen ist dann nicht als „kleinkariert" einzuschätzen, sondern dient dazu, ein möglicherweise über Jahre gebildetes Gesamturteil über den anderen und die Beziehung anhand einzelner Punkte genau anzusehen. Da können sich ungeahnte Verständigungspotenziale zwischen den Partnern auftun, immer mit dem Blick darauf: „Was wäre ein Ergebnis, das uns beiden nützen würde?" Diese Vorgehensweise stellt auch eine gute Möglichkeit dar, bestimmte Klassifizierungen zwischen den Partnern,
z. B. modern und altmodisch, zu überwinden.
Dann geht es darum, Punkt für Punkt zu überprüfen, wie man diese alten Belastungen und Vorwürfe wieder loslassen kann und zu einer neuen Verständigung kommen kann.
Verzeihen ist nur möglich, wenn der Betrogene nachvollziehen kann, warum es zum Seitensprung gekommen ist. Verzeihen bedeutet nicht, alles zu vergessen, sondern der Betreffende behält in Erinnerung, was war. Ziel ist, negative Emotionen loszulassen, so dass der Seitensprung nur noch als eine Art sachliche Information übrig bleiben sollte. Verzeihen ist dabei ein Grundelement der Liebe: Wer nicht verzeihen kann, ist auch nicht in der Lage, dauerhaft in einer Liebesbeziehung zu leben, weil immer wieder Dinge passieren, die jeder Partner dem anderen verzeihen muss.
Zu diesem Prozess gehört viel Offenheit hinzu und der Mut, sich kritisch auseinander zu setzen mit der Frage, was jeder an Konflikten in die Partnerschaft eingebracht hat, durch sein eigenes Tun oder auch Nicht-Tun. Fragen, denen dazu nachgegangen wird, können sein: Wie haben wir bisher miteinander gelebt? Welche Bedürfnisse haben wir für die Zukunft? Wie können wir sie verwirklichen? Wichtig ist dabei vor allem, Vertrauen als Fundament jeder Partnerschaft wieder aufzubauen und neue Nähe herzustellen.
Wenn beide bereit sind, durch so einen Prozess hindurchzugehen, dann kann das Ergebnis sein, dass sie hintereinander gemeinsam eine Ebene erreichen, die qualitativ besser ist, als alles, was vorher da war, und beide nicht mehr zurück wollen vor die Zeit des Seitensprungs.
Jede Krise ist auch als Prüfstein für die Lernfähigkeit der Partner und den Wert der Beziehung anzusehen: Denn es geht darum, aus dem Geschehen für die Zukunft zu lernen, einen Kommunikationsstil zu lernen, der von wechselseitiger Anerkennung, respektvoller Aufrichtigkeit und tiefer Zuneigung getragen ist, und dem Partner das eigene Erleben, Befinden und Fühlen transparent zu machen. Dazu ist auch Treue zu lernen und zu glauben, d. h. dem Wort muss eine geeignete Tat folgen, damit der andere wirklich daran glauben kann, sowie wechselseitiges Vertrauen und gegenseitige Achtung.
Ein Seitensprung kann in diesem Sinne also durchaus eine Chance sein. Es kann aber auch sein, wenn z. B. die Beziehung schon über sehr lange Zeit sehr belastet war und beide immer mehr resigniert hatten, dass dann so ein Seitensprung auch der Versuch sein kann, endlich eine Ablösung voneinander zu finden, die ohne einen Seitensprung schwer geworden wäre.
Es ist zu beobachten, dass Paare, wenn sie über viele Jahre miteinander gelebt haben, sich in viele Konflikte verstricken können, aber es dann schwer haben, sich wirklich voneinander zu trennen. Es kann dann ein dauerndes Hin und Her geben, man will nicht mehr miteinander leben, wagt aber auch eine Trennung nicht. In solchen Fällen entsteht dann häufig eine Situation von Hassliebe, die natürlich für beide Seiten sehr unbefriedigend und frustrierend ist. In so einer Situation kann dann ein Seitensprung für beide Partner die Möglichkeit sein, diese Trennung endlich zu vollziehen und sie auch als klare Entscheidung zu formulieren.
Das Fremdgehen kann auch das Fass zum Überlaufen bringen und die Kette der gegenseitigen Verletzungen kann so groß werden, dass es kein Zurück mehr gibt. Nur wenn beide wirklich den Willen zur Weiterführung der Beziehung haben, wenn sie in der gemeinsamen Vergangenheit so viel positive Substanz sehen, dass es sich dafür zu kämpfen lohnt und wenn sie sich auf neue Erfahrungen einlassen können, was Ernsthaftigkeit von beiden Seiten erfordert, stehen die Chancen gut, die Beziehung zu retten.
Prävention
Was können Mann und Frau nun tun, damit es gar nicht erst zur Krise und zum Seitensprung kommt?
Wichtig ist, fortlaufend an der Beziehung zu arbeiten, d. h. intensiv miteinander zu reden, sich auseinander zu setzen und den seelischen und körperlichen Kontakt zum anderen zu pflegen. Dazu gehört, sich die eigenen Bedürfnisse und Wünsche, aber auch Kritik offen mitzuteilen - woraus ersichtlich wird: eine dauerhafte Beziehung braucht Lebendigkeit und das Bemühen beider Partner, die Aufrichtigkeit und Offenheit auf beiden Seiten voraussetzt!
Wichtig ist außerdem, sich miteinander zu entwickeln und etwas füreinander zu tun. Die eigene Paarbeziehung bedarf der guten Pflege, bei der dem Partner dieselbe Aufmerksamkeit und Hingabe zu widmen ist, die sich ein jeder auch in Bezug auf seine eigene Person wünscht.
Mehr: http://www.online-artikel.de/article/seitensprung-als-chance-118144-1.html