Donnerstag, 01 August 2013 20:59

Nichtmedikamentöse Behandlung von Schlafstörungen

Immer mehr Menschen zeigen Unzufriedenheit darüber, daß gesundheitsbezogene Klagen beim Arzt noch immer stereotyp mit dem Griff zum Rezeptblock beantwortet werden. Verschrieben werden dann Neuroleptika, Benzodiazepine, Benzodiazepinagonisten, Antidepressiva
und Melatonin. Der Nutzen dieser Substanzen ist mehr als fraglich, der Schaden unbestritten (Suchtgefahr, Organtoxizität, Fahruntauglichkeit),- ganz abgesehen von den immensen Kosten, die vor allem darin begründet sind, daß die Medikamente nicht langanhaltend wirken, sondern nur für den Zeitraum, in dem sie eingenommen werden. Höchste Zeit also, über geeignete Alternativen nachzudenken. Neurofeedback ist eine solche Alternative und kommt gänzlich ohne Medikamente aus.

Grundüberlegung ist, dass der Schlafstörung neben einer erhöhten körperlichen Aktivierung auch eine Überaktivierung des Gehirns zu Grunde liegt, aus der die typischen Schlafbeschwerden resultieren: lange Schlaflatenz (lange Zeit bis zum Einschlafen), häufige und lange Wachzeiten nach dem Einschlafen, geringe Gesamtschlafzeit und geringe subjektiv empfundene Schlafqualität. Die quälenden Pausen sind gefüllt von Gedankenkreisen und der Schwierigkeit, gedanklich abzuschalten. Entsprechend treten bei Patienten mit diesen Problemen, in der Fachsprache "Insomnie" genannt, Veränderungen im Elektroencephalogramm auf, der Ableitung hirneigener Ströme.

Zur Erklärung: die Hirnströme lassen sich anhand ihrer Frequenzen in Frequenz-Gruppen oder -Bänder aufteilen. Folgende Frequenzen treten je nach Aktivierungsgrad unterschiedlich häufig im "gesunden" EEG auf: Delta-Wellen mit 0,5-4 Schwingungen pro Sekunde, Theta-Wellen mit 5-7 Schwingungen pro Sekunde, Alpha-Wellen mit 8-13 Schwingungen pro Sekunde, SMR-Wellen mit 12-15 Schwingungen pro Sekunde und Beta-Wellen mit 14-30 Schwingungen pro Sekunde. Normalerweise tritt die Delta-Aktivität in den Vordergrund, wenn wir schlafen, Theta-Aktivität wird vor allem dann registriert, wenn wir träumen, meditieren oder dösen, d.h. wenn wir sind nicht aktiv mit der Umwelt kommunizieren. Mit zunehmender Wachheit und Konzentration dominiert die Beta-Aktivität.

Wenn wir bei Schlafstörungen von einer Überaktivierung des Gehirns auszugehen haben, wundert es nicht, daß in der Hirnrinde (dem Cortex) an symptomrelevanten Stellen vermehrt Anteile höherfrequenter EEG-Aktivität auftritt. Dem gilt es entgegenzuwirken.

Solche Problemstellungen sind hervorragend zu lösen mit Hilfe von Neurofeedback. Damit wird es durch ein gezieltes computergestütztes Training ermöglicht, Kontrolle über die eigenen Hirnaktivitäten zu erlangen. Für eine ganze Reihe von Erkrankungen konnten typische Hirnwellenzusammensetzungen als begünstigend identifiziert werden und durch ein entsprechendes Training (Neurofeedbacktraining) in ein normales Muster überführt werden, was von Linderung oder gar Verschwinden der Symptomatik verbunden war. Mittlerweiele liegen spezielle Trainingsprotokolle vor für die Behandlung von Kopfschmerzen (Migräne, Spannungskopfschmerzen, Kinderkopfschmerz), chronischen Schmerzen, Autismus und ADHS. Das Schlafstörungs-Neurofeedbackprotokoll sieht vor, innerhalb von ungefähr 20 Sitzungen die SMR-Aktivität (12–15 Hz) zu verstärken. Der Proband lernt dabei, durch willentliche Anstrengung ein Objekt (Feedbackobjekt), beispielsweise ein Raumschiff, auf dem Monitor allein durch willentliche Anstrengung zu bewegen. Trick bei der Sache ist, daß das das Feedbackobjekt vom Therapeuten/Trainer per Computer gekoppelt wird mit der Hirnaktivität, hier der SMR-Aktivität, d.h., wenn der Proband SMR-Wellen willentlich anreichert, begibt sich das Raumschiff in den Steigflug, beim Senken der Aktivität in den Sinkflug. Erlernt wird das Beeinflussen zwar mit therapeutischer Hilfe, die Hauptarbeit übernimmt das Gehirn selbst. Wie beim Erlernen des Fahrradfahrens registriert das Gehirn exakt, welche Dinge passieren müssen, um Veränderungen zu bewirken. Besonders hervorzuheben ist, daß bei Neurofeedback der Patient selbst es ist, der seine Ressourcen zur Gesundung mobilisiert. Damit ist es auch passiven Verfahren überlegen, wie es bei den Hirnstimulationsverfahren wie tDCS oder rTMS zur Depressionstherapie realisiert ist.

Polysomnographische Untersuchungen im Schlaflabor und Schlaftagebücher sprechen eine eindeutige Sprache. Umfangreiche universitäre Untersuchungen konnten den wissenschaftlichen Nachweis erbringen, daß Neurofeedback ist eine sehr effektive, nebenwirkungsfreie, langanhaltend wirksame Methode zur Verbesserung sämtlicher Schlafparameter darstellt. Es ist den medikamentösen Verfahren weitaus überlegen und sollte häufiger eingesetzt werden. Die Therapie ist derzeit noch dadurch begrenzt, daß es nur wenige Facheinrichtungen mit entsprechender apparativer, räumlicher und personeller Ausstattung gibt. Häufig ist es der Schmerztherapeut, der sich der Behandlung annimmt, da dort für Neurofeedback aufgrund des breitgefächerten Diagnosespektrums für dieses Verfahren eine besondere Kompetenz vorliegt. Dr.med.Dipl.Biol. Peter Tamme http://www.online-artikel.de